Mietrecht: Extrem hoher Stromverbrauch: Beweislast beim Vermieter

Der Bundesgerichtshof (Urteil Az. VIII ZR 189/17) befasste sich mit grundsätzlichen Fragen zur Beweislastverteilung und zu den Pflichten des Vermieters bei der Gewährung einer Dokumentenprüfung im Zusammenhang mit der jährlichen Betriebskostenabrechnung bei Wohnungsmieten (§ 556 BGB).

Die Fakten des Falles

Die Angeklagten waren Mieter einer 94 qm großen Dreizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus. Die Gesamtwohnfläche des Hauses, soweit es an den für die Wohnung des Beklagten relevanten Heizkreis angeschlossen ist, beträgt knapp 720 Quadratmeter. Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag sah eine monatliche Vorauszahlung von 200 Euro auf die Betriebskosten vor.

Für die Jahre 2013 und 2014 verlangt die Vermieterin von der Beklagten eine Zuzahlung von mehr als 5.000 Euro auf die in den Betriebskosten enthaltenen Heizkosten. Die entsprechenden Jahresabschlüsse zeigen die Verbrauchswerte für die Mietwohnung der Beklagten, die 42 bzw. 47 Prozent der im Heizkreis gemessenen Gesamtverbrauchseinheiten ausmachen. Die Beklagten beklagen, dass diese Siedlungswerte nicht plausibel sind und bestreiten, dass sie tatsächlich die Wärmemenge verbraucht haben, die merklich von der Wohnflächenverteilung abweicht. Die Vermieterin kam ihrer Forderung nicht nach, die Ablesebelege für die Verbrauchseinheiten der anderen Wohnungen zur Kontrolle vorzulegen.

Die Ansicht der vorherigen Instanzen

Die Klage des Vermieters auf eine entsprechende Zuzahlung der Betriebskosten ist in beiden Amtsgerichten erfolgreich gewesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ändert auch ein außergewöhnlicher Betrag an Heizkosten nichts an der Tatsache, dass die Beklagten als Mieter ausdrücklich hinzugefügt hatten, weshalb die ihnen in Rechnung gestellten Heizkosten (2013: 3.492 €; 2014: 3.857 €) betragsmäßig nicht gerechtfertigt waren. Unverständlich war auch, welche Vorteile die Angeklagten aus der Einsichtnahme in die Unterlagen der anderen Mietwohnungen im Gebäude ziehen wollten. Mit ihrer Berufung, die vom Landgericht zugelassen wurde, wollten die Angeklagten die Klage abweisen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Die VIII. Der Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit seiner Entscheidung bestimmte – vom Berufungsgericht falsch eingeschätzte – Grundsätze zur Verteilung der Vorlage- und Beweislast und der Verpflichtung des Vermieters, Zugang zu Belegen im Zusammenhang mit der jährlichen Betriebskostenabrechnung zu gewähren, vertieft.

Bei einer Nachforderung von Betriebskosten, die der Mieter aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung zu tragen hat (§ 556 Abs. 1 Satz 1 BGB), liegt die Vorlage- und Beweislast für den geltend gemachten Anspruch, d.h. für die korrekte Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der dem einzelnen Mieter entstandenen Betriebskosten, beim Vermieter. Insofern war es schon zu Beginn falsch, dass das Berufungsgericht den Beklagten als Mietern die Verpflichtung auferlegte, „objektiv nachvollziehbare Angaben“ (z.B. bestehende Anschlussverluste) vorzulegen, aus denen sich eine Unrichtigkeit der ihnen in Rechnung gestellten Verbrauchswerte ergibt. Auf jeden Fall hätte sie sich bei einer ordnungsgemäßen Beurteilung der Beweislast eher von der Zuverlässigkeit und Richtigkeit der vom Kläger als Vermieter vorgenommenen Verbrauchserfassung, -zusammenstellung und -verteilung überzeugen und die diesbezüglichen Beweise von Zeugen und Sachverständigen einholen müssen.

Im Streit wurde als Besonderheit hinzugefügt, dass die Beklagten weiterhin den Einwand erhoben hatten, dass der Kläger ihnen auf jeden Fall die Ablesedokumente für die Verbrauchseinheiten der anderen Wohnungen hätte vorlegen müssen. Das Berufungsgericht hielt diesen Einwand zu Unrecht für irrelevant und rechtfertigte damit die ebenfalls auf diesen Einwand gestützte Klage des Beklagten auf Kündigung. Denn eine vom Vermieter abzugebende Erklärung nach § 556 Abs. 1 Nr. 1 und 2 3 Satz 1 BGB muss eine geordnete Zusammenstellung der im Rechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalten, die von sich aus auf die umzulegenden Betriebskosten nachvollziehbar ist, damit der Mieter die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil dieser Kosten mental und rechnerisch überprüfen kann.

Zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung durch den Vermieter gehört auch, dass er dem Mieter nachträglich die Möglichkeit gibt, die Abrechnungsunterlagen auf Verlangen des Mieters zusätzlich einzusehen, soweit dies z.B. zur ordnungsgemäßen Prüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung etwaiger Beanstandungen erforderlich ist. In diesem Zusammenhang kann der Mieter auch von anderen Nutzern eines gemeinsam gelieferten Mietobjekts Zugriff auf die vom Vermieter erhobenen individuellen Verbrauchsdaten hinsichtlich der Heizkosten verlangen, um zu klären, ob bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung – wie im Streitfall – der Gesamtverbrauchswert der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen entspricht, ob deren Werte plausibel sind oder ob andere Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Kostenverteilung bestehen.

BGH hebt Urteil der Vorinstanz auf

Entgegen der Annahme durch das Berufungsgericht muss der Mieter kein „besonderes Interesse“ an der Überprüfung der Belege für die Verbrauchswerte der anderen Mietwohnungen nachweisen, sondern es reicht bereits aus, wenn das allgemeine Interesse des Mieters die Aktivitäten des Vermieters abrechnungspflichtig überwacht. Solange der Vermieter eine entsprechend geforderte Einsicht in die Unterlagen unberechtigterweise verweigert, ist der Mieter daher nicht verpflichtet, die geforderte Nachzahlung zu leisten. Der Senat hat daher das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage als (derzeit) unbegründet abgewiesen.